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Passion zwischen Grausamkeit und Gnade

Studentisches Kantatenprojekt 2022

Unter dem Motto „Passion – zwischen Grausamkeit und Gnade“ gestalten Studierende der Hochschule für Kirchenmusik zwei Kantatenkonzerte: Am Sonnabend, 9. April, 19:00 Uhr in der Nikolaikirche Löbau und am Sonntag, 10. April, 19:00 Uhr in der Loschwitzer Kirche. Auf dem Programm stehen Werke von Baldassare Galuppi, Joseph Haydn und Georg Friedrich Händel. Ausführende sind Anna-Maria Tietze (Sopran), Alina König-Rannenberg (Alt), Florian Neubauer (Tenor), Philipp Schreyer (Bass), der Chor der Hochschule für Kirchenmusik und ein Orchester junger Dresdner Musiker*innen. Die Konzeption, Organisation und Leitung liegt bei den Studierenden Paula Maria Kokel, Charlotte Kress und Tim Preußker.

Die Texte der Kantaten „Dixit Dominus“, „Stabat Mater“ und „The Lord is my Light“ sprechen dabei in unterschiedlicher Weise von Gott, einerseits als dem „Gewaltigen“, der die Mächtigen, die andere unterdrücken und bedrängen, stürzt, bis hin zu dem „Gnädigen“, der am Ende sein Friedensreich aufrichtet und in Jesus Christus selbst das Leid und die Gewalt der Welt mitträgt.

Zwischen Grausamkeit und Gnade: Der Titel des Kantatenprojekts fängt Assoziationen ein. Es sind Assoziationen, die durch die biblischen Texte hervorgerufen werden, die den musikalischen Werken zugrunde liegen. Der Vesperpsalm „Dixit Dominus“ (Psalm 110) bringen die Hoffnung auf Gerechtigkeit mit Gewalt zur Sprache: Gott „wird richten unter den Völkern, aufhäufen Erschlagene, wird Häupter zerschmettern weithin auf der Erde.“ Das „Stabat mater“ malt dem Betrachter ein intensives Bild menschlichen Leidens vor Augen: „Es stand die Mutter, schmerzensreich, bei dem Kreuze, tränenreich, als ihr Sohn dort hing.“ Und auch die tröstlichen Psalmverse in Händels Anthem „The Lord is my Light“ wissen um die Not des Beters (Psalm 27,7): „Herr, Höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!“

Grausamkeit und Gnade: Die Worte werfen Fragen auf. Können wir heute so von Gott reden? Braucht Gott das Opfer eines Menschen am Kreuz, um gnädig zu sein? Sollten wir wirklich an einen solchen Gott glauben? Ist Gott ein Gott der Rache? Und was macht ein solch gewalttätiges Gottesbild mit denen, die es tradieren? Andererseits: Wohin mit den Grausamkeiten der Welt, wenn sie im Glauben an Gott keinen Platz hätten? Wohin mit der Erfahrung von Gewalt, wenn die Rede von Gott sie aussparte?

Grausamkeit und Gnade: Die Worte markieren den Weg einer Antwort. Die Psalmen weisen Menschen mit ihren Grausamkeitserfahrungen an Gott (Psalm 22): „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Sie wenden den Wunsch nach Rache ins Gebet. Sie wissen um die heilsame Kraft menschlicher Selbstbegrenzung, die darin liegt (Römer 12,19): „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes“. Der christliche Glaube macht die Gewalt der Welt zu Gottes Last. Gott braucht kein blutiges Opfer, er nimmt das Kreuz vielmehr selbst auf sich. Gott selbst erträgt den Tod. Was Menschen zu ertragen haben: Gott trägt es mit. Ja, er hat es längst ertragen und besiegt. Das ist der österliche Hoffnungskern der Erinnerung an Jesu Passion.

Christian Kollmar

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