Zum Gedenken an seinen 100. Geburtstag
Am 06. November hätte einer der bekanntesten Kirchenmusiker Dresdens und Sachsens – Karl Frotscher – seinen 100. Geburtstag begangen.
1920 in einem musikalisch geprägten Elternhaus in Dresden geboren, sang er als Chorknabe in der Dreikönigskirche und erhielt Musikunterricht (u.a. in Klavier und Orgel) bei Werner Starke, dem dortigen Kantor. Bald nach der Schulzeit wurde Frotscher zum Kriegsdienst eingezogen, überlebte Stalingrad, Gefangenschaft sowie Lazarettaufenthalt. In seine Heimat zurückgekehrt, studierte er am Kirchenmusikalischen Institut der Hochschule für Musik in Leipzig. Dort unterrichteten ihn u.a. Karl Straube in Orgel, Johann Nepomuk David in Tonsatz und Wilhelm Weismann in Komposition.
Dabei wurde dem engagierten Schüler v. a. Karl Straube zeitlebens Vorbild und Wegweiser.
Nach Abschluss seines Studiums mit der kirchenmusikalischen A-Prüfung erhielt er 1948 seine erste Anstellung als Kantor und Organist in Radebeul an der Lutherkirche.
Nur ein Jahr später konnte sich Martin Flämig, der Gründer und erste Leiter der Kirchenmusikschule Dresden glücklich schätzen, ihn als Dozenten zu gewinnen. Die große Zahl seiner Studierenden innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte zeugt von unermüdlichem Einsatz, sein erworbenes Wissen und seine Fähigkeiten an die nachfolgenden Generationen, auch im Sinne Karl Straubes, weiterzugeben.
Während seines Wirkens in Radebeul wurde man besonders auf ihn aufmerksam aufgrund der Tatsache, als er sich intensiv mit der Jahre zuvor (bis 1945) verfemten Musik Mendelssohn Bartholdys auseinandersetzte und sein Oratorium ELIAS zu einer weithin geschätzten und beachteten Aufführung brachte. Mit seiner sich sowohl vertiefenden Vorliebe zu Bachs Orgelwerken und Oratorien als auch zunehmenden Intensität der Beschäftigung mit der Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts profilierte er sich als Kirchenmusiker in Radebeul (zeitweise leitete er hier auch den Radebeuler Männerchor). So war es nur eine Frage der Zeit, dass er 1964 die Nachfolge Erich Schneiders als Organist und Kantor an der Martin-Luther-Kirche Dresden antrat. Dort entdeckte er mit dem 1911 gegründeten Dresdner Bachchor (den er bis zu seinem Tode am 28.Februar 1991 leitete) in repräsentativen Aufführungen bedeutende Werke der Spätromantik und bewies damit, dass auch diese ihre Berechtigung zu Wiederaufführungen haben. Besondere musikalische Höhepunkte bildeten dabei die Aufführungen der „Großen b-Moll-Messe“ von Albert Becker, des Requiems h-Moll und die Uraufführung des 75. Psalms für Bariton, Chor und Orchester von Felix Draeseke sowie des Requiems f-Moll von Friedrich Kiel.
Herbert Gadsch (Kantorkollege, Organist und Komponist, 1913-2011) schrieb vor vielen Jahren in der Presse: „Es ist beglückend, über Karl Frotscher zu schreiben, denn er war ein vorbildlicher Orgelspieler, ein versierter Chorleiter und geschätzter Lehrer, neben seiner künstlerischen Tätigkeit ein vorbildlicher Gemeindekantor, ein guter Christ, tätiges Gemeindeglied…“
Die Amtszeit von Karl Frotscher prägte einerseits die oratorische Musik an den beiden Luther-Kirchen in Radebeul und Dresden sowie andererseits die Arbeit mit dem Dresdner Bachchor und in der Gemeinde.
Leider war es Karl Frotscher nicht vergönnt, sein Abschiedskonzert mit der ihm besonders ans Herz gewachsenen Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach am Karfreitag 1991 selbst zu leiten. Gottfried Fischer, ebenfalls langjähriger Kollege und Kirchenmusikdirektor in Dresden Nord, übernahm nach Frotschers Tod die Leitung der Aufführung, die nun ein Gedenkkonzert für ihn wurde.
43 Jahre kirchenmusikalisches Schaffen, fast genau solang verdienstvoller Lehrer, verbinden sich mit großer Dankbarkeit, Anerkennung und Verneigung vor seinem Lebenswerk.
Seine durch den Glauben geprägte Musizierhaltung, die inspirierende Art als Chorleiter,
seine Hilfsbereitschaft, aber auch die Schaffung einer Oase des künstlerischen Wirkens in der damaligen politischen und gesellschaftlichen Situation sind sicher bei ganz vielen Menschen in dankbarer Erinnerung geblieben. Mit Kompositionen für den kirchlichen Gebrauch, welche sich im Bestand der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden befinden, hat er sich auch auf diesem Gebiet selbst eine bleibende Erinnerung geschaffen.
Comments are closed.